Pieter Bruegels Horrorvisionen: Der Triumph des Todes

Gewalt, Mord, Folter und Grausamkeit wohin man schaut. Während am rechten unteren Bildrand ein Verehrer seiner Liebsten auf der Laute ein Ständchen bringt und sie ihn zärtlich betrachtet, schlägt hinter den beiden ein menschliches Skelett die Saiten. Weiter links schlitzt ein in graue Lumpen gehülltes Gerippe einem hilflos am Boden liegenden Menschen mit einem Messer die Kehle auf. Daneben wiederum liegt eine tote Mutter mit ihrem Säugling, an dem ein ausgemergelter Hund zu fressen beginnt. An anderer Stelle sehen wir das eingefallene Gesicht eines Mannes in prächtigem Harnisch, mit rotem Mantel und Hermelinpelz sowie einer goldenen Krone auf dem Haupt. Ein König, der sich gerade von seinem neben ihm in großen Fässern voller Goldmünzen stehenden Reichtum verabschiedet, wird an der Schulter bereits vom Knochenmann berührt, der eine Giftphiole in die Höhe reckt. Im Hintergrund sehen wir Massen von Menschen, die von einer Heerschar an Skeletten in eine sargähnliche Kiste getrieben werden, während andernorts gerädert, gefoltert, gehenkt, ertränkt und verbrannt wird.

Was wie das Umschlagbild einer düsteren Death-Metal-Band aussieht, ist tatsächlich eines der größten Meisterwerke der an Meisterwerken nicht armen flämischen Malerei des 16. Jahrhunderts: Der Triumph des Todes von Pieter Bruegel dem Älteren, eines der beeindruckendsten Gemälde des Madrider Prado Museums, das selbst in dieser grandiosen Sammlung herausragt. Die Faszination solcher Gemälde, die sich in reicher Zahl in wohlfeilen Kunstdrucken auf Seiten wie Desenio erwerben lassen, ist bis heute ungebrochen und über die Geheimnisse der gruseligen Bildsprache wird immer noch diskutiert.

Klar ist, dass es sich bei dem Maler des Werkes, Pieter Bruegel dem Älteren (circa 1525 bis 1569), um keinen morbiden Ausnahmefall handelt. Über sein Leben weiß man zwar nicht allzu viel, die spärlichen Informationen wurden vom RKD, dem Königlich niederländischen Kunstinstitut zusammengetragen. Denn auf Gemälden, Skulpturen und anderen Kunstwerke, aber auch Alltagsgegenständen, finden sich häufig Darstellungen von Tod und Sterben. Aber die Detailliertheit der Szenen von Gewalt und Tod erstaunt schon und wird eigentlich nur noch vom Meister des Makabren, dem 1516 gestorbenen Landsmann Bruegels, Hieronymus Bosch übertroffen. War er womöglich ein Prophet bevorstehenden Unheils? Hatte er als ein Nostradamus des Pinsels womöglich die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges vorhergesehen und in leicht symbolischer Form abgewandelt auf die Leinwand gebannt? Gerade die unvorstellbare Grausamkeit der Hinrichtungen und die schiere Masse an Toten und Todgeweihten wirken wie eine Illustration der Ereignisse, die zwischen 1618 und 1648 die Bevölkerungszahlen in manchen Regionen Europas um die Hälfte reduzierte.

Doch sämtliche dargestellten Todesarten waren zurzeit Bruegels allgegenwärtig. Die Strafjustiz der frühen Neuzeit verfolgte das Ziel der Abschreckung: je schlimmer das Verbrechen, desto grausamer die Hinrichtung, die in der Regel öffentlich durchgeführt wurde. Krankheit und Epidemien drohten dauernd. Und kriegerische Auseinandersetzungen gab es ständig. 1562, im Jahr der Entstehung des Gemäldes beispielsweise, brach im benachbarten Frankreich der Hugenottenkrieg aus, bei dem es zu pogromartigen Gewalttaten gegenüber Protestanten kam. In den Niederlanden, seit 1522 unter der Herrschaft der spanischen Habsburger, brodelte es auch. Bereits 1566 loderten bewaffnete Aufstände hoch.

Bruegel war also sicherlich vieles: ein malerisches Genie, ein Visionär, aber ganz sicher kein Fantast, eher ein einfallsreicher Dokumentar des allgegenwärtigen Schreckens.

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